“Deine Worte haben mir echt Rücken gegeben, Brudi”. Vor mir steht der 18-jährige Ben, Besucher eines säkularen Musikfestivals im Allgäu, auf dem ich gerade mit meiner Band Good Weather Forecast ein Konzert gegeben habe. Was er mit diesen für die ältere Generation vermutlich eher kryptischen Worten meint, ist, dass er von meinen während des Konzerts geäußerten Gedanken zum Glauben ermutigt und berührt wurde.
Inzwischen stehe ich hinter dem Verkaufsstand, um T-Shirts, Pullover und CDs der Band zu verkaufen und hinter Ben hat sich eine kleine Schlange gebildet. Zu meinem Erstaunen wollen nur wenige Konzertbesucher und Besucherinnen tatsächlich zum finanziellen Wohlergehen der Band beitragen und eines unserer Produkte käuflich erwerben. Der weit größere Teil der jungen Menschen bedankt sich respektvoll und immer schön der Reihe nach für meine “kleine Predigt” auf der Bühne.
Das Ausmaß der Reaktion ist für mich ungewöhnlich und überraschend, die Reaktion der Menschen selbst eher nicht. Egal ob Kellner im Restaurant, Nachbarn, Konzertbesucherinnen oder Alltagsbegegnungen auf den Straßen – ich erlebe die Menschen in Deutschland als sehr offen und interessiert am christlichen Glauben. Dieser Eindruck scheint auch nicht nur subjektiv zu sein. Immerhin geben im World Values Survey 40 Prozent der Deutschen an, dass Religion eine wichtige Rolle in ihrem Alltag spielt und über die Hälfte von ihnen betet … Global betrachtet wachsen die Religionen und die FAZ sprach in einem vor einigen Jahren veröffentlichten Artikel gar vom “neuen Jahrhundert der Religionen”.
Wenn ich als Leiter von Campus für Christus hin und wieder an Tagungen teilnehme, treffe ich oft auf eine gegenteilige Erfahrungswelt. Denn glaubt man den Statistiken und Schilderungen der kirchlichen Würdenträger, steht es nicht gut um die Kirche in Deutschland. Das galt lange Zeit und gilt immer noch für die großen Volkskirchen, aber auch die Freikirchen wachsen längst nicht mehr in dem Maße, wie wir uns das erhoffen. Tatsächlich schrumpfen viele Gemeindeverbände inzwischen und selbst in den wachsenden Kirchen und Gemeinde kommen wirklich kirchenferne Menschen nur selten zum Glauben, wie Prof. Philipp Bartholomä in seinem kürzlich veröffentlichten Buch “Gemeinde mit Mission” statistisch belegt und herausarbeitet.
Das Christentum in Deutschland scheint auf einem absteigenden Ast zu sein, obwohl es weiterhin nachweislich eine transzendente Kapazität in der Bevölkerung gibt. Das zeigt auch, dass Sätze wie “die Menschen sind einfach nicht mehr offen für den Glauben” nicht stimmen und wenn überhaupt, dann nur als Trostpflaster für unsere christlichen Seelen taugen. Es scheint weniger an unseren Mitmenschen zu liegen als an der deutschen Christenheit selbst. Mir ist durchaus bewusst, dass das Problem vielschichtig ist und etwas mit der oft unrühmlichen Vergangenheitsbewältigung und der allgemeinen Skepsis gegenüber Institutionen im Allgemeinen zu tun hat. Daran können wir kaum etwas ändern … Aber was können wir ändern?
Ich bin davon überzeugt, dass wir als Christen wieder neu über die Mission und das Evangelium nachdenken sollten. Die kulturelle Sensibilisierung und Aufarbeitung der westlichen Mission in Zusammenhang mit unserer kolonialen Vergangenheit sowie der starken Individualisierung des Glaubens, hat “Mission” zu Recht zu einem aus der Zeit gefallenen Begriff werden lassen.
Aber was passiert, wenn wir neu entdecken, dass “Mission” keine koloniale Erfindung der Kirchen und kein Mittel zum schnellen Wachstum attraktionaler Megachurches ist, sondern, um es mit dem großen Missiologen David Bosch auszudrücken, ein “Attribut Gottes”? Was geschieht, wenn uns als Christenheit in Deutschland wieder bewusst wird, dass wir Teil dieser großen Unternehmung Gottes, der Missio Dei sind und Christus selbst uns in diese Welt sendet, wie der Vater ihn gesandt hat? Wie stark ist es zu sehen, wenn sich Menschen aller Generationen in der Kraft des Heiligen Geistes als Botschafter der Versöhnung für Christus verstehen – als von Gott gesandte Arme, Hände, Beine und Herzen, die das Evangelium vom Reich Gottes spür- und sichtbar in dieser Welt leben und darüber sprechen? Können wir an den Hunger auf Transzendenz der Menschen in unserem Land anknüpfen? Ändern sich die Statistiken? Ich bete und hoffe, dass das der Fall sein wird. Und genau deshalb veranstalten wir als Campus für Christus die Konferenz REFLECT23 vom 17.11. bis 19.11. in Roth bei Nürnberg.
Gemeinsam mit euch möchten wir über Evangelisation und Mission nachdenken. Wir wollen das Evangelium vom Reich Gottes wieder neu mit Kopf und Herz ergreifen, persönliche Berufungen erleben und uns in der Kraft des Heiligen Geistes in unseren Alltag aussenden lassen. Ich persönlich freue mich, dass uns hochkarätige Sprecher und Sprecherinnen, wie Dr. Johannes Hartl, Danielle Strickland, Andreas Boppard, Sibylle Beck und viele mehr mit ins Thema hineinnehmen werden. Noch mehr würde ich mich darüber freuen, die REFLECT23 gemeinsam mit euch allen zu erleben. Mehr Infos und Tickets gibt’s auf www.reflect23.de.
Lasst uns Gottes Liebe wieder neu in unsere Gesellschaft hineintragen.
Autor: Flo Stielper